Seit 2 Jahren bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Beurteilung der Tätigkeiten von Aufsichtsratsmitgliedern. Hintergrund: Die deutsche Finanzverwaltung hat bisher – auf Basis der deutschen Finanzrechtsprechung – die Tätigkeit als Aufsichtsrat ohne weitere Differenzierung als unternehmerische Tätigkeit i.S.d. Umsatzsteuergesetzes angesehen. Aufgrund der EuGH-Rechtsprechung vom 13.06.2019 sowie der neueren deutschen Rechtsprechung (insb. BFH vom 27.11.2019) hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nunmehr mit Schreiben vom 08.07.2021 den Umsatzsteueranwendungserlass in Abschnitt 2.2. bezüglich der Unternehmereigenschaft einer Aufsichtsratstätigkeit oder vergleichbaren Gremientätigkeit geändert. Die Finanzverwaltung hat damit ihre bisherige umsatzsteuerliche Sichtweise aufgegeben.
Folgende wesentliche Regelungen ergeben sich aus dem BMF-Schreiben:
- Es findet eine Differenzierung zwischen Festvergütung und variabler Vergütung statt.
- Eine Festvergütung (z.B. pauschale Aufwandentschädigung) führt allein nicht zu einer Unternehmereigenschaft, da kein Vergütungsrisiko im Sinne einer Selbstständigkeit besteht.
- Eine ausschließliche variable Vergütung führt zu einer selbstständigen umsatzsteuerrelevanten Tätigkeit.
- Im Falle einer gemischten Vergütung wird von einer unternehmerischen Tätigkeit ausgegangen, wenn die variable Vergütung mindestens 10% der gesamten Vergütung im Kalenderjahr (Besteuerungszeitraum) beträgt.
- Sitzungsgelder, die nur bei Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung gewährt sowie Vergütungen, die nach tatsächlichem Zeitaufwand abgegolten werden, sind keine Festvergütungen, sondern variable Vergütungen.
- Reisekostenerstattungen stellen keine Vergütungsbestandteile dar und bleiben deshalb in der Berechnung der 10% Grenze außen vor.
Die vorgenannten Kriterien sind für jedes Aufsichtsratsmandat gesondert zu prüfen.
Die Regelungen gelten auch für Mitglieder von Ausschüssen, die der Aufsichtsrat bestellt hat sowie für andere Gremien, wenn diese der Kontrolle der Geschäftsführung dienen (z.B. Beirat, Kuratorium).
Die Regelungen des Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten wurde eine Übergangsregelung getroffen. Die bisherige Vorgehensweise wird nicht beanstandet für Leistungen, die bis einschließlich 31.12.2021 ausgeführt worden sind (maßgeblich ist also der Zeitpunkt der Tätigkeit und nicht der Vergütungszufluss).
Klarstellend weisen wir ergänzend darauf hin, dass die vorgenannte umsatzsteuerliche Beurteilung keinen Einfluss auf die unverändert geltende einkommensteuerliche Zuordnung der Tätigkeit als Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG hat.